Jedes Jahr findet traditionell in der ersten Novemberwoche das Göttinger Jazzfestival statt. Hier performen Künstler und Künstlerinnen aus Deutschland und der Welt live. Internationale Bekanntheiten präsentieren spannende Projekte und lassen Sie Neues entdecken. Aber auch Musiker und Gruppen der Göttinger Jazzszene bringen im Ambiente des historischen Deutschen Theaters das Publikum zum Swingen. Zudem sorgen die Konzerte in den Musikclubs der Stadt für eine jazzige Musikatmosphäre in ganz Göttingen. Am letzten Tag klingt das Festival traditionsgemäß mit einem tanzbaren Highlight in der Musa aus.
Göttingen feiert 2019 sein 42. Jazzfestival
Zum 42. Mal präsentiert das Göttinger Jazzfestival internationale und nationale renommierte Musikerinnen und Musiker sowie zahlreiche Bands der lokalen und regionalen Szene. Vom 02. bis 10.11.2019 wird in Göttingen der Jazz an diversen Spielstätten in seiner ganzen Vielfalt und Vitalität gefeiert. Neben den Abenden im Deutschen Theater rahmen Veranstaltungen im „Esel“ in Sülbeck, im Universitätsklinikum, in der Kreuzkirche, im Lumière, in der Musa, im Alten Rathaus und bei KIM-Kultur das Programm.
Programm am Freitag
Den Freitag eröffnen die Klaviervirtuosen Aeham Ahmad und Edgar Knecht. Aeham Ahmad wuchs als palästinensischer Flüchtling im syrischen Flüchtlingslager Jarmuk in Damaskus auf. Inmitten der Trümmer des umkämpften Lagers sorgte er mit seinem fast täglichen Klavierspiel für Aufmerksamkeit. Ziel war es, vor allem Kindern Mut zu machen. Seine Freunde filmten ihn dabei und verbreiteten die Videos im Internet, sodass er als „Pianist aus den Trümmern“ weltweit berühmt wurde. Nachdem sein Flüchtlingslager im April 2015 von den Kämpfern des „Islamischen Staates“ eingenommen wurde, suchte er Schutz in Deutschland. Dort lernte er den Jazzpianisten Edgar Knecht kennen. Zusammen starten die beiden ein gemeinsames musikalisches Projekt: „Keys to friendship“.
Edgar Knecht hat sich vor allem mit seinen einzigartigen Volksliedbearbeitungen international bereits einen Namen gemacht. Mit dem Sänger und Pianisten Aeham Ahmad schuf er eine mitreißende Kombination, bei der syrischer Gesang auf deutsches Volkslied, Jazz, Latin und arabische Rhythmen trifft. Aehmas und Knechts gemeinsames Album erhielt viel Publikumszuspruch und den „Preis der deutschen Schallplattenkritik“.
Ihnen folgt das international gefeierte polnische E-Bass-Wunder Kinga Głyk mit einer brodelnde Mischung aus Jazz, Pop und Funk. Kinga Głyk ist 20 Jahre alt und gilt als die beste polnische Bassistin der neuen Generation und als ein aufstrebender Star der Jazz Blues Musik. Sie begann ihr Abenteuer mit der Musik im Alter von 12 Jahren und spielte in der Familienband Głyk P.I.K. TRIO. Trotz ihres jungen Alters hat sie bereits viele Konzerte nicht nur in Polen, sondern auch in Ländern wie Indonesien, Österreich, Deutschland, der Schweiz, Italien, Portugal und der Ukraine gegeben. Ihr mittlerweile drittes Album Dream wurde 2007 von dem weltweit renommierten Musikverlag WARNER MUSIC GROUP COMPANY veröffentlicht.
Die Nacht gehört Botticelli Baby – sieben junge Wilden aus dem Ruhrpott, die derzeit die Republik mit ihrer frechen Mischung aus Jazz, Gypsy-Swing, Balkan-Beat und Punk aufmischen. Ihr Markenzeichen ist handgemachte Swingmusik mit Punkattitüde. Sie entwickelten einen Stil fernab des Mainstream mit einer Energie, die bis jetzt jeden gepackt hat. Zu ihren Einflüssen zählen der Zigeunerjazz Django Reinhardts, der Hot Jazz der frühen 30er Jahre und der Blues. Botticelli Baby hat sich in den letzten Jahren fest in der Musik- und Partyszene in Nordrhein- Westfalen etabliert und spielen regelmäßig Konzerte in Berlin, Hamburg, Frankfurt und den Niederlanden.
Programm am Samstag
Am Samstagabend steht eine der wichtigsten Stimmen der blühenden Jazzszene seines Landes, der britische Saxophonist Julian Siegel, im Quartett mit kraftvollem, stilsicheren Post-Bop-Sound auf der Bühne. Siegel war bereits in der Schule Mitglied unterschiedlicher Ensembles. Durch die Plattensammlung seines Vaters entwickelte er sein Interesse an der Form der Improvisation. Bis 1987 studierte er klassisches Saxophon und Dirigat. Er spielte seit 1991 mit großen Musikern wie beispielsweise Julian Argüelles oder Kate Williams zusammen. Mit der Band Partisans, die er mit Gitarrist Phil Robson leitete, erreichte er internationale Aufmerksamkeit und tourte mit dieser durch Europa. Seit 2004 leitet er eine Band unter eigenem Namen. In die Popmusik verschlug es ihn 2016, wo er auf Mark Forsters Album TAPE mitwirkte und unter anderem bei dem Stück Sowieso am Tenorsaxophon zu hören ist.
Nach dem Saxophonist wird der Pianist Grégory Privat aus Martinique im Trio mit modernem, universalem Jazz mit karibischem Akzent das Publikum begeistern. Durch seinen Vater, einen Pianisten, kam er bereits schon mit sechs Jahren zum Klavierunterricht. Nach einer zehnjährigen klassischen Ausbildung begann Privat zu komponieren und zu improvisieren und fand seine musikalische Heimat im Jazz. Er spielte Sessions und Gigs in den Jazzclubs von Toulouse, wohin er eigentlich wegen eines Ingenieursstudiums gezogen war. Mit 27 Jahren gab er seinen Zweitjob im Büro endgültig auf, um sich ganz seiner Musik zu widmen. Bisher arbeitete er mit Größen der europäischen Szene wie Stéphane Belmondo, Remi Vignolo oder mit aktuell Guillaume Perret zusammen.
Mit Shake Stew, Österreichs Jazzband der Stunde, sieben Musiker auf einer atemberaubenden Reise durch Sounds und Grooves und tranceartige Rhythmen, klingt der Festivalabend aus. Die Band besteht aus Clemens Salesny (Altsaxophon), Johnny Schleiermacher (Tenorsaxophon), Mario Rom (Trompete), Lukas Kranzelbinder (Bass), Oliver Potratz (Bass), Niki Dolp (Schlagzeug) und Mathias Koch (Schlagzeug). Nicht nur national ist die Musikgruppe ein Begriff, sondern die Jungs musizierten bereits auf dem renommierten Montreal Jazz Festival und dem deutschen Jazzfestival Frankfurt.
Weitere Highlights
An weiteren Tagen wird im Alten Rathaus eine Konzertlesung der ostdeutschen Jazzlegende Uschi Brüning in Begleitung des Pianisten Lukas Natschinski zu hören sein. Im Esel in Sülbeck kann man sich von der Sängerin und Komponistin Céline Rudolph mit ihrem stilistisch vielfältigen Programm „Pearls“ verführen lassen. In der Musa wird beim Tuesday Night Hop Lindy-Hop getanzt. Im Secondhandladen KIM-Kultur stellt sich das jüngste Göttinger Klinker-Projekt vor. Im Abschluss des Festivals wird der fantastische Ex-Miles Davis-Saxophonist Bill Evans mit hochkarätigen Spy-Killers wie Wolfgang Haffner, Simon Oslender und Claus Fischer in der musa mit ihrer außergewöhnlichen Mixtur aus Jazz, Funk und Groove für einen fulminanten Abend sorgen.
Jazzfestival Göttingen – Wie alles begann..
Die Geschichte des Jazzfestivals in Göttingen begann mit Vorläufer-Veranstaltungen, bei denen zusammengeschobene Tische in der Mensa als Bühne fungierten. Von guter Akustik war hier noch keine Rede. Aus Anlass ihres 10-jährigen Bühnenjubiläums organisierten Musiker aus dem „Blue Roseland Orchestra“ im Jahr 1978 ein zweitägiges Big Band Festival mit Oldtimebands. Bereits im Folgejahr weitete man das Festival auf alle Stilbereiches des Jazz aus und bildete einen Ausschuss für die Organisation. Bis heute decken die verschiedensten Strömungen des traditionellen und zeitgenössischen Jazz ein breites Spektrum an Stilen ab. Die Vielfältigkeit des Programmes lädt nicht nur Menschen aller Altersklassen, sondern auch Menschen mit verschiedenen musikalischen Vorlieben ein. Auch internationale Größen – sowohl stilbildende als auch stilprägende Jazzmusiker – werden nach Göttingen eingeladen. Daneben haben Musiker der lokalen Jazzszene und Schülerbands die Möglichkeit ihre Musik und ihre Weiterentwicklung in eindrucksvollem Rahmen unter Beweis zu stellen. Das Jazzfestival fördert junge Talente und gibt ihnen die einmalige Chance, entdeckt zu werden.
Jazz in Göttingen
In Göttingen erleben sie Jazz in unterschiedlichsten Formen. Jazz ist in der Vergangenheit niemals im Stillstand gewesen – eine Musikform, die sich im ständigen Wandel befindet. Die Künstler zeigen große Freude an Veränderung. Die afroamerikanische Jazztradition wird gerne gepaart mit zeitgenössischen Musikelementen aus Rock, Soul oder Klassik. Dabei gelangen die Künstler meist auf ganz eigenem Weg zu ihrer Musik und lassen ihre persönlichen Interpretationen mit einfließen. Das macht Jazz zu einem spannenden Erlebnis, bei dem neue Entdeckungen und interessante Begegnungen garantiert sind.
Ein Rückblick auf vergangene Jazzfestivals
Das Göttinger Jazzfestival 2018
Zum 41. Mal präsentierte das Göttinger Jazzfestival – wie jedes Jahr im November – international renommierte Musikerinnen und Musiker sowie zahlreiche Bands der lokalen Szene. Mehr als eine Woche hindurch wurde an diversen Spielstätten in Stadt und Region der Jazz in seinem Formenreichtum und Eigensinn gefeiert.
Diese Musiker waren 2018 dabei
Der französische Akkordeonist Vincent Peirani eröffnete am Freitagabend im Deutschen Theater mit seinem Quintett Living Being, zu dem auch Peiranis langjähriger Kollege Émile Parisien am Saxophon gehört, das Festival. Peirani wurde 1980 in Nizza geboren und begann bereits im Alter von elf Jahren mit klassischer Musik und dem Akkordeonspielen. Schon im Teenageralter erhielt er für seine Leistungen zahlreiche internationale Preise. Nach der Schule begann er ein Jazzstudium in Paris. Währenddessen machte er sich, nach anfänglicher Skepsis, mit seinem Akkordeon in der Jazzszene Frankreichs einen Namen und spielte schnell mit der Créme des französischen Jazz wie Michel Portal oder Vincent Courtois. Sein erstes Album als Leader erschien 2013 Thrill Box, besetzt mit Pianist Michael Wollny, Bassist Michel Benita und den Saxofonisten Michel Portal und Émile Parisien.
Ebenfalls trat das Julia Kadel Trio am Festivalfreitag um die junge Pianistin aus Berlin auf. Julia Kadel leitet das Trio mit dem deutsch-norwegischen Bassisten Karl-Erik Enkelmann und dem Schlagzeuger Steffen Roth. Ihr Debüt-Album Im Vertrauen erschien 2014 bei Blue Note Records/Universal und wurde beim Überjazz Festival in Hamburg präsentiert. Zusammen mit ihren Bandkollegen gewann sie sogar 2013 den erstmals vergebenen Jazzpreis der Hochschule für Musik Saar. Ihr zweites Album, welches das Trio auch beim Jazzfestival Göttingen zum Besten gab, ist von Eigenkompositionen der Pianistin geprägt.
Samstag Nacht des Festivals gehörte der Band Three Fall mit der Sängerin Melane. Die innovative Band des jungen deutschen Jazz überzeugte mit ihrer einzigartigen Besetzung, bestehend aus 2 Bläsern und Schlagzeug. Die kongolesisch-deutsche Sängerin Melane brachte eine neue Farbe in den unverwechselbaren Sound der Band. Ihre kraftvolle Stimme passte perfekt zur Musik des Trios und bildete einen Kontrast zu den rauhen Rhythmen, sodass ihre Hiphop-, Afrobeat- und Reggae-Einflüsse unüberhörbar waren.
Zum Programm der weiteren Tage gehörte die Gitarristin Susan Weinert mit ihrem Rainbow Trio, die Bassistin Eva Kruse mit ihrem Projekt „On the Mo“, das Alexandra Lehmler Trio, der Schriftsteller Friedrich Christian Delius, der Gitarristen Andreas Jäger, die Swing Club Cats und die Blue-Note-Dokumentation „It Must Schwing“. Zum Abschluss zelebrierten The KutiMangoes aus Dänemark in der Musa ihre Version von Afrobeat.
Die Programm-Highlights 2015/2016
Nicole Johänntgen
Die deutsche Jazzmusikerin entdeckte früh ihre Liebe zum Saxophon. Mit ihrer großen Leidenschaft schafft es Nicole Johänntgen, ihr Publikum mitzureißen. Denn Musik ist ihr Leben. Das Zusammenspiel mit dem Trio des französischen Pianisten Rémi Panossian zeugt von viel Energie und immenser Spielfreude. Auf dem Göttinger Jazzfestival präsentierten sie zeitgenössischen Jazz in Kombination mit Elektroklängen und Hip-Hop-Rhythmen.
Carlo-Keep-Swingin
Der Film dokumentiert in unterhaltsamer Weise die Biographie des Musikers Carlo Bohländer. Dieser hatte die Idee, den legendären Untergrund Club im zerbombten Frankfurt in der Nachkriegszeit zu eröffnen. Tagsüber nutzte man die Räumlichkeiten als Proberaum, nachts fanden dort nicht enden wollende Jamsessions statt mit Musikern aus aller Welt. Der Film zeigt, wie Enthusiasmus und Musik Grenzen überwinden und Menschen zusammen führen.
TANN Trio
Dirk Häfner, René Bornstein und Damian Kappenstein sind bereits mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Bremer Jazzpreis und dem 1. Platz beim internationalen Jazzwettbewerb Burghausen. Beim Jazzfestival Göttingen gaben die studierten Jazzer wieder rockigen Jazz mit viel Gitarre, Bass und Groove zum Besten. TANN hält immer Überraschungen parat und unterhält das Publikum mit unschlagbarem Humor sowie einer gesunden Portion Selbstironie.
Omer Klein
Der in Israel aufgewachsene Omer Klein ist Preisträger verschiedener Jazzwettbewerbe und gewann unter anderem den ersten Preis der Jazz Hoeilaart International Competition in Belgien. Heute lebt er in Düsseldorf und konzertiert mit seinen Musikpartnern Haggai Cohen-Milo und Amir Bresler weltweit. Das seit 2007 bestehende Trio präsentiert seinen mit orientalischen Klängen versehenen Jazz aus dem Genre der Klassik. Jazztradition verbunden mit aktuellen Bewegungen in der Musik!