Ballettunterricht bei John Neumeier? Einmal als Ballerina auf der Bühne stehen? Das ist der Traum eines jeden ballettbegeisterten Kindes! Man nimmt im Publikum Platz, das Licht geht langsam aus und die Bühne füllt sich mit Leben. Faszination macht sich breit. Gebannt starren die Zuschauer auf die fließenden Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer. Wie schwerelos sie wirken. Wie leicht das Tanzen erscheint. Nur wer einmal selbst Ballett getanzt hat, weiß, was auf der Bühne für Leistungen erbracht werden und wie schmerzvoll eigentlich das Tanzen auf Spitzenschuhen sein kann. Durch John Neumeier entwickelte sich das Hamburg Ballett zu einem der führenden Ballettcompagnien. Doch was macht den Hamburger Tänzer und Choreographen so einzigartig? Warum strömen immer wieder Scharen von Zuschauern in seine Aufführungen?
Werdegang John Neumeiers
Geboren ist der heute 73 Jährige in Milwaukee in Wisconsin. In der dortigen Stadtbibliothek stieß er schon in jungen Jahren auf eine Biographie über die russische Ballettlegende Vaslav Nijinsky, die sein Interesse für den Tanz weckte und ihn lange Zeit beschäftigte. Neumeier erhielt den ersten Ballettunterricht in seiner Heimatstadt in Amerika. Danach besuchte er die Royal Ballet School in London, kehrte dann nach Milwaukee zurück und erwarb seinen Bachelor of Arts in den Fächern Englische Literatur und Theaterwissenschaften. 1963 sah man ihn bei einer Aufführung in London tanzen und erkannte das in ihm steckende Potential. John Cranko – der Direktor des Stuttgarter Balletts – engagierte ihn als Tänzer und später auch als Solist. Dort machte Neumeier seine ersten Choreographien. Ein paar Jahre später veranlasste Ulrich Erfurth seinen Umzug nach Frankfurt am Mai. Dort agierte er bis 1973 als Ballettdirektor. Durch diverse Neudeutungen bekannter Handlungsballette (wie zum Beispiel Der Nussknacker, Romeo und Julia sowie Daphnis und Cloë) erregte Neumeier schnell viel Aufsehen. Im Jahre 1973 berief August Everding ihn nach Hamburg. Seitdem ist er Leiter des Hamburg Ballett an der Hamburgischen Staatsoper. 1978 gründete er dort die Ballettschule des Hamburg Ballett. Seit 1996 hat er zusätzlich den Status eines Ballettintendanten.
Aufgrund des so steil bergauf führenden Werdegangs John Neumeiers sah die Welt schnell, wie seine Einzigartigkeit vom Publikum angenommen wird und wie begeistert die Masse in seine Aufführungen strömt. Daher beschäftigte man ihn vielfach als Gastchoreograf – und das überall auf der Welt: beim American Ballet Theatre in New York, beim Royal Ballet in London, beim Tokyo Ballet in Tokyo, am Mariinsky-Theater in St. Petersburg, beim Königlich Schwedischen Ballett in Stockholm, beim Finnischen Nationalballett, beim Royal Winnipeg Ballet und beim National Ballet in Kanada etc. Auch innerhalb Deutschlands war er unterwegs und choreographierte für das Ballett der Deutschen Oper in Berlin, für das Stuttgarter Ballett und auch für das Bayerische Staatsballett in München.
John Neumeiers Werke begeistern ein Weltpublikum
Zu seinen bekanntesten Werke zählen Romeo und Julia (1971), Der Nussknacker (1974), Die Kameliendame (1978), Messias (1999), Schwanensee (1976), Nijinsky (2000) und noch viele mehr. Sein Schwerpunkt liegt zwar auf abendfüllenden Handlungsballetten, aber ab und an inszenierte Neumeier auch andere Bühnenwerke wie beispielsweise das Musical West Side Story von Leonard Bernstein. Jedes Jahr wieder stürmen Menschenmassen in die Staatsoper, um sich von John Neumeier und seinen atemberaubenden Tänzern faszinieren zu lassen. Er lässt seine ganz persönlichen Gedanken in seine Choreographien mit einfließen und schafft so seine eigenen Interpretationen. Seine Handlungsballette zeichnen sich demnach durch seine Persönlichkeit aus. John Neumeier macht das Ballett zu seinem Leben und lässt all seine Leidenschaft dort einfließen. Dies ist als Zuschauer deutlich zu spüren und hebt die Aufführungen Neumeiers von anderen ab. „Tanz ist für mich immer eine Kunstform gewesen, die die Beziehungen zwischen den Menschen zeigt, ihre Begegnungen, ihre Gegensätze und die daraus entstehenden Spannungen“, so John Neumeier 2003 gegenüber dem britischen ballet magazine.
Zudem errichte er im Jahr 2006 die Stiftung John Neumeier, um Tanz- und Ballettsammlung und sein Lebenswerk für die Stadt Hamburg zu sichern und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. John Neumeier engagiert sich seit Gründungsbeginn für Hamburg-Leuchtfeuer und dessen Hospiz.
John Neumeier Verfilmungen
John Neumeier erhielt im Jahre 1978 für eine vom NDR aufgezeichnete vierteile Ballett-Werkstatt die Goldene Kamera. Für das Fernsehen wurden 1982 sogar noch vier weitere Werkstätten produziert und der NDR und das ZDF zeichneten vier seiner Ballette auf: Dritte Sinfonie von Gustav Mahler, Wendung, Kinderszenen und Othello. 1986 verfilmte die Polyphon GmbH sein Ballett Die Kameliendame. Die Verfilmung wurde beim internationalen TV-Festival in New York mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. 2002 wurde dann eine Live-Verfilmung des Balletts Illusionen – wie Schwanensee auf DVD herausgebracht und 2004 wurde Tod in Venedig im Festspielhaus Baden-Baden vom SWR aufgezeichnet und 2005 von Arte ausgestrahlt sowie 2005 die Matthäus-Passion. Ebenfalls wurde 2005 sein Ballett Sylvia an der Pariser Opéra Bastille mit den Tänzern des Ballett der Pariser Oper verfilmt sowie 2008 Die Kameliendame.
Preise und Auszeichnungen
Abgesehen vom Bundesverdientskreuz erhielt John Neumeier bereits diverse Auszeichnungen für seine künstlerischen Meisterleistungen. Zudem wird John Neumeier im Juni 2007 zum Ehrenbürger der Freien und Hansestadt Hamburg und am 6. Oktober erhält er den „Herbert von Karajan Musikpreis 2007“ im Festspielhaus Baden-Baden.