NDR Ensemble
16. August 2018
Musikstadt Hamburg
Woran denken Menschen, wenn sie Hamburg besuchen? Der Hafen liegt bestimmt weit vorn, aber auch wenn es um das Thema Musik geht hat sich Hamburg – nicht nur in den Köpfen der Deutschen – als Musikstadt fest etabliert. Knapp 3.500 der insgesamt 166.000 Unternehmen in Hamburg sind laut Untersuchungen der Handelskammer Hamburg in 2014¹ der Musikwirtschaft zuzuordnen. Damit liegt Hamburg hinter Berlin auf Platz zwei im Deutschlandvergleich. Die Bruttowertschöpfung dieses Wirtschaftszweigs liegt bei 638 Millionen jährlich. Die Zahlen machen offensichtlich, dass die Medienstadt Hamburg nicht nur kulturell von Musik bereichert wird, sondern in wachsendem Maße auch wirtschaftlich. Wenig überraschend kommt die Tatsache daher, dass Musicals ein wichtiger Faktor für Tourismus und Wirtschaft in Hamburg sind. Rund 60 Prozent der Deutschen verbinden mit Hamburg und Musik an erster Stelle Musicals. Die gesamte Kundenwertschöpfung (inkl. Gastronomie, Unterkunft, Handel), die durch Musicals erzeugt wird, wird auf rund 580 Millionen Euro jährlich geschätzt.
Um das Image Hamburgs als Musikstadt weiter zu voranzutreiben, werden nun alle Hoffnungen auf die Eröffnung der Elbphilharmonie gesetzt. Denn trotz der millionenhohen Bruttowertschöpfung der Musikwirtschaft, wird Hamburg laut einer Befragung nur als viertwichtigste Musikstadt in Deutschland erachtet. Wie sich Hamburg in der Vergangenheit in Richtung Musikstadt entwickelte und warum die Elbphilharmonie dazu beitragen kann, das Image weiter zu verbessern, lesen Sie hier in diesem Beitrag.
Wie weit geht die Geschichte der Musik in Hamburg eigentlich zurück? Schon als die Stadt hauptsächlich wegen ihres Handels durch den Hafen bekannt war, blühte im Hintergrund die Musiklandschaft auf. Als 1678 das erste bürgerliche Opernhaus eröffnet wurde, die Oper am Gänsemarkt, beheimatete Hamburg schon die größte Bühne Norddeutschlands. Damals kamen bekannte Größen wie Georg Friedrich Händel Anfang des 18. Jahrhunderts nach Hamburg gereist, um im Opernorchester zu spielen. In Hamburg verfasste Händel mehrere seiner bekannten Opernstücke wie sein erstes Werk „Almira“, das zweite Stück „Die durch Blut und Mord erlangte Liebe“ sowie „Nero“ und „Florindo und Daphne“.
1803 erblickte Felix Mendelssohn Bartholdy in Hamburg das Licht der Welt, musste aber schon im jungen Alter aus politischen Gründen die Stadt verlassen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auch Johannes Brahms hier geboren und lernte von damals bekannten Komponisten das Klavierspielen. Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts Gustav Mahler nach Hamburg zog, arbeitete er als Dirigent und Kapellmeister an der Oper am Gänsemarkt in Hamburg und komponierte verschiedenste Werke. Mit der Laeiszhalle entstand zu Beginn der 20. Jahrhunderts das erste moderne und bis dato größte Konzerthaus Deutschlands im Stil der Neobarocke.
Die Elbphilharmonie soll das neue Hamburger Wahrzeichen werden und das Image als Musikstadt deutlich verbessern. Dass dies am Ende auch dem gesamten Tourismus in Hamburg zu Gute kommen kommt, steht außer Frage, bedenkt man den positiven Effekt auf Gastronomie, Unterkunft und Handel. Und die Chancen stehen bisher gut: Schon vor ihrer Eröffnung ist die Elbphilharmonie für 64,5% der Deutschen ein Grund, nach Hamburg zu fahren. Dies geht ebenfalls aus der Studie der Handelskammer aus 2014 hervor. Ein berühmtes Konzerthaus zu haben – und die Elbphilharmonie soll eins der 10 besten weltweit werden – ist, was eine Musikstadt für jeden zweiten Befragten ausmacht. So wundert es nicht, dass Städte wie Bayreuth, Dresden und Berlin noch stärker als Musikstadt betrachtet werden als Hamburg. Ein solch markantes Hamburger Wahrzeichen, wie die Elbphilharmonie es ist, gab es bisher in der Stadt noch nicht, was große Erwartungen bei der Musik- und Tourismusbranche hegt. Insgesamt wird das musikwirtschaftliche Potenzial der Elbphilharmonie auf circa 100 Millionen Euro jährlich geschätzt.
Bei der Begründung der etwas abgeschlagenen Performance Hamburgs als Musikstadt Deutschlands wird häufig auch die Musikszene, insbesondere die klassische, unter die Lupe genommen. So scheinen die in Hamburg beheimateten Orchester noch nicht das gleiche internationale Renommee zu genießen wie etwa die Berliner Philharmoniker, die nach letzten Untersuchungen von 2008 auf Platz zwei der 20 Top-Orchester der Welt triumphierten. Besondere Aufmerksamkeit gilt demnach derzeit dem NDR Elbphilharmonie Orchester, welches für zehn Jahre vertraglich als Residenzorchester in die Elbphilharmonie einzieht. Nach der letzten Studie von 2008 zählt es nicht zu den 20 Top-Orchestern der Welt. Doch die 2014 errungene Grammy-Auszeichnung „Best Classical Compendium“ für Christoph Eschenbachs Hindemith-Einspielung mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester lässt eine positive Entwicklung des Hamburger Orchesters erahnen. Nun ist es Aufgabe des NDR und der Elbphilharmonie ein Vermarktungskonzept zu verwirklichen, dass erstklassige klassische Konzerte mit den hohen Ansprüchen, die an die Elbphilharmonie gestellt werden, vereint. Eine deutliche Verbesserung Hamburgs in der Wahrnehmung als Musikstadt liegt dann zum Greifen nah. Erste Marketingansätze dahingehend gibt es bereits. Mit der Konzertreihe „Elbphilharmoniekonzerte“ bereiten das Residenzorchester und das neue Konzerthaus schon jetzt einen Weg, das Image Musikstadt in den Köpfen der Menschen zu verankern.
¹Handelskammer Hamburg (2014): Standpunktepapier Musikstadt Hamburg.